Bezug: Berliner Kurier, 12.8.25; „Wir müssen bei Rente und Pflege kürzen“
Sehr geehrte Frau Grimm, Ihre Meinung zur zukünftigen Rente sowie Pflege und Krankenversicherung ist mir seit längerem bekannt. Deshalb habe ich mich bereits mehrfach kritisch per Mail an Sie, andere Rentenexperten wie
die Prof’s Raffelhüschen, Börsch-Supan, Schnitzer, Werding, Haan, sowie die Medien gewandt.
Nicht, weil ich annehmen würde, schlauer zu sein.
Vielmehr, weil Sie und andere (selbst wohlsituierte, meist selbst verbeamtete) Experten vor dem bekannten Hintergrund der Alterung unserer Gesellschaft sowie der leeren bzw. subventionierten Renten- und Pflegekassen mehr Ehrlichkeit anmahnen; parteiübergreifend. Sie: „Wir brauchen in der Renten-, Pflege- und Krankenversicherung mehr Ehrlichkeit darüber, welche Leistungen wir uns wirklich leisten können und welche nicht.“
Ehrlichkeit ist immer erstrebenswert, sollte dann aber — gerade von Wissenschaftlern — auch konsequent so gehandhabt werden. Von der Politik erwartet m. E. kaum noch jemand Ehrlichkeit.
Hierbei geht es nicht darum, Sie und andere Berufskollegen für die enormen Versäumnisse der Politik in der Vergangenheit verantwortlich zu machen. Außerdem weiß ich als „altgedienter Ökonom“ in der freien Wirtschaft, dass es keine einfache Lösung gibt. So ist mir bekannt, dass in einer Reihe europäischer Staaten Betriebsrenten verbreiteter sind als in Deutschland.
Mir und anderen geht es nicht primär um die auch wichtigen Fragen des Haushalts, sondern um die soziale Gerechtigkeit.
Daher folgende Fragen:
1.) Wieso spielt bei Ihren Vorschlägen offenbar keine Rolle, um welche sozialen Gruppen — ob „Normalos“, Unterprivilegierte, sehr Wohlhabende, BEAMTE -es sich handelt? Oder habe ich etwas übersehen?
2.) Die zunehmende Altersarmut sowie die sich verschlechternden Bedingungen bei der Gesundheitsvorsorge und Pflege für nicht privat Versicherte und unterdurchschnittliche Einkommensbezieher dürfte Ihnen nicht entgangen sein. Oder?
3.) Haben Sie sich bisher kritisch geäußert zu der nur scheinbar sozialen „Nahles-Rente mit 63“?
Und: Wieso soll es sozialökonomisch gerecht sein, dass selbst wohlhabende Mütter (die es in den westlichen Bundesländern viel häufiger gibt als im Osten) eine nicht geringe Mütterrente erhalten (für vor 1992 geborene Kinder),_auch wenn sie nie direkt zum BIP beigetragen
haben? Viele ältere Frauen der Ex-DDR werden dadurch benachteiligt: Erstens weil weibliche Berufstätigkeit weit verbreitet, aber im Schnitt relativ niedrig entlohnt wurde. Zweitens sind Frauen (und Männer) mit abgeschlossenem Studium in der Regelstudienzeit von max. 4 Jahren (außer bei Ärzten) benachteiligt, weil das Studium nicht zum Rentenanspruch mitgezählt wird. Somit sind 45 Arbeitsjahre unerreichbar (gewesen).
4.) Wieso klammern Sie (Raffelhüschen, Werding etc.) das immer kostenintensivere, schon lange nicht mehr zeitgemäße, alimentierte Beamten- und Pensionärs-System aus? Mit welcher sachlichen Begründung sollen Lehrer und Professoren weiterhin verbeamtet
werden? Eine eventuelle Entgegnung, dass Lehrer fehlen und Professoren sonst abwandern, wäre für mich nicht stichhaltig.
Sicher wissen Sie, dass in vielen europäischen Ländern, insbesondere in der Schweiz, Österreich, den Niederlanden, Finnland, Norwegen, Dänemark und Schweden – bei ähnlichen Problemen einer alternden Gesellschaft — die Rentensysteme besser, sozialer funktionieren?
Dort zahlen alle Beschäftigten, auch Selbständige und BEAMTE in das jeweilige Rentensystem 1. Säule) ein.
Wie begründen Sie, dass anders als in den erwähnten Ländern die viel frühere (!) Pension von Beamten im Regelsatz 71,5 % des letzten
— also höchsten — BRUTTO-Gehalts beträgt, woran Sie offenbar nicht rütteln wollen? Aber die 48 % Rente, die im Schnitt nicht einmal halb so hoch ist wie die Durchschnittspension, ist für Sie nicht haltbar. Bzw. zur bescheidenen „Haltelinie“ von 48 % sagen Sie: „Auf Dauer wird das nicht finanzierbar sein.“ Nachvollziehbar ist für mich zwar, dass die Rentenbeiträge angesichts höherer Löhne (aber nicht überall!) sowie der hohen Lohnnebenkosten leicht angehoben werden müssten. In Österreich liegen die Rentenbeiträge zwar etwas höher als bei uns, dafür sind die Renten prozentual und absolut (!) deutlich höher. Und in den Niederlanden soll, sofern ich richtig informiert bin, dass Rentenniveau bald 100 % der Löhne betragen. Oder?
Berlin, 13.08.2025
Dr. sc. Frank Latka, Diplom-Volkswirt
10117 Berlin
frank.latka@gmx.de
P.S.: Ich bin mit 76 noch immer in der Finanzierungs-/ Leasingbranche tätig; im Minijob!!