Stellungnahme des Bundesverbandes Graue Panther e.V. zur Erhöhung des Wohngeldes (Wohngeld-Plus-Gesetz) zum 1.10.22 zu der geplanten Änderung des Heizkostenzuschussgesetzes
Im Koalitionsvertrag (anno 2021) war vereinbart worden, das Wohngeld zu stärken, eine Klimakomponente einzuführen und einmalig kurzfristig einen Heizkostenzuschuss zu zahlen. Der Gesetzentwurf für ein Wohlgeld-Plus geht nun deutlich weiter, die politische Lage erforderte Korrekturen. Es soll neben der Klimakomponente ein dauerhafter Heizkostenzuschuss beim Wohngeld eingeführt werden. Bei der dauerhaften Heizkostenkomponente beträgt der Zuschlag auf die zu berücksichtigende Miete oder Belastung zwei Euro je Quadratmeter Richtfläche pro Monat. Dabei gelten dieselben Richtflächenwerte wie bei der Berechnung der Wohngeldhöhe selbst: für eine Person max. 48 qm, für zwei Personen 62 qm und für jede weitere Person +12 qm. Bei einem Ein-Personen-Haushalt beträgt der Heizkostenzuschuss dann höchstens 96 Euro.
Die zum 1. Januar 2021 eingeführte CO2-Komponente bleibt von den Neuerungen unberührt: Wohngeldbeziehende sollen die Heizkosten- und Klimakomponente also zusätzlich erhalten. Die Klimakomponente wurde mit dem Ziel eingeführt, Mietsteigerungen infolge von Gebäudesanierungen aufgrund energetischer Maßnahmen auszugleichen, denn hierzu wurden Vermieter nicht zuletzt mit dem Gebäudeenergiegesetz gesetzlich stärker verpflichtet. Der vorgesehene Zuschlag auf die Miethöchstbeträge soll 40 Cent pro Quadratmeter und Monat (gemäß der Richtwohnflächen) betragen. Dabei ergeben sich bei der Klimakomponente Höchstbeträge von 19,20 Euro für Ein-Personen-Haushalte.
Mit der Wohngeld-Reform erfolgt eine neue Zuordnung der Gemeinden/Kreise. Hierfür werden Daten des Statistischen Bundesamtes von 2019/2020 zu Grunde gelegt. Aktuell basiert die Mietenstufen-Zuordnung auf Daten von 2016/2017. Mit der Neuzuordnung werden tendenziell mehr Kreise und Gemeinden höheren Mietstufen zugeordnet. Was nach der allgemeinen Mietentwicklung der Letzten 10 Jahre schon lange überfällig war. Vor allem im Umfeld von größeren Städten.
Eine weitere Anpassung wird eine Verwaltungsvereinfachung und der Beschleunigung der Bearbeitungsdauer in den Wohngeldbehörden sein: z.B. längere Bewilligungszeiträume sollen gewährt werden (bis zu 18 Monate), wenn die Einkommensverhältnisse gleichbleiben. Aktuell wird Wohngeld in der Regel nur für 12 Monate bewilligt. Vorläufige Zahlungen sowie Rückforderungen von erbrachten Wohngeldleistungen sollen ermöglicht werden, wenn sich im Nachgang herausstellt, dass kein Wohngeldanspruch (oder ein geringerer) bestand. Außerdem soll mit dem Gesetzentwurf geregelt werden, dass einmalige Einkommen nur berücksichtigt werden, wenn sie in den letzten zwölf Monaten zugeflossen sind – aktuell umschließt der Betrachtungszeitraum drei volle Jahre.
Nachdem in diesem Jahr Wohngeld-Beziehenden bereits ein einmaliger Heizkostenzuschuss zugesprochen wurde, der seit diesem Sommer ausgezahlt wird, soll nun erneut ein einmaliger Heizkostenzuschuss gewährt werden. Mit dem Heizkostenzuschuss sollen die Zusatzbelastungen bei den Energiekosten von 2022 kompensiert werden, die über den ersten Heizkostenzuschuss nicht ausgeglichen werden konnten. Das gilt für alle Haushalte, die zwischen dem 1. September und 31. Dezember 2022 mindestens einen Monat Wohngeld beziehen und für weitere Personengruppen wie Auszubildende und Studierende, die BAföG und andere staatliche Leistungen erhalten.
Aber wo sind die Grundrente beziehenden Mitbürgerinnen und Mitbürger in diesem Entwurf? Wir fragen weiter, warum bekommen alle Rentenempfängerinnen und -empfänger bis zu einer bestimmten Rentenhöhe, diese Zusage automatisch?
Der Heizkostenzuschuss beträgt einmalig 415 Euro für einen 1-Personen-Haushalt, 540 Euro für zwei Personen und für jede weitere Person im Haushalt zusätzlich 100 Euro. Für Empfänger*innen von BAföG, Ausbildungs- und Berufsausbildungsbeihilfen soll der Heizkostenzuschuss 345 Euro betragen.
Die Wohngeldreform kam zwar gerade noch rechtzeitig. ABER sie bringt auch eine weitere Spaltung unter den Menschen mit geringen Einkünften. Die Heizperiode startet allgemein zum 1. Oktober und Menschen mit niedrigen Einkommen müssen für eine warme Wohnung mehr Geld ausgeben, denn häufig leben sie in schlecht isolierten Wohnungen, alten Häusern mit hohen Decken. Sie brauchen also kurzfristige Lösungen, um die Sicherheit zu bekommen, diesen Winter finanziell zu überstehen.
Der Bundesverband Graue Panther e.V. begrüßt zwar, dass sich das Wohngeld ab Januar 2023 verdoppeln soll. Sieht eine extrem große Gefahr, dass „brave und behördenscheue“ Mitmenschen lieber frieren als zum Wohngeldamt zu gehen und Bittsteller zu werden. Dazu kommt, dass viele Gemeinden /Ämter seit Corona alles auf Digital umstellen, was unsere älteren Mitmenschen noch mehr abschreckt.
Der Bundesverband Graue Panther e.V. sieht eine extrem große Gefahr darin, dass ältere (vor allem Frauen) lieber Flaschen sammeln und frieren als Bittstellerin zu werden.
Der Bundesverband Graue Panther e.V. wirft unseren jüngeren Politiker vor, kein oder zumindest minderbemitteltes Gespür für diese Generation zu haben.
Hintergrundfakten zum neuen Wohngeld:
Wohngeld-Plus-Haushalte bekommen ab Jan 23 im Schnitt 370 Euro im Monat als Zuschuss zu Miete/Heizkosten – das sind 190 Euro mehr als zuvor. Vielen Menschen mit niedrigen Einkommen und Renten nimmt das die Angst, ihre Nebenkostenabrechnungen nicht mehr zahlen zu können – sofern sie von der Leistung wissen und diese auch in Anspruch nehmen. Mit der Reform werden die Einkommensgrenzen ausgeweitet und so werden deutlich mehr Haushalte vom Wohngeld-Plus profitieren, nämlich 1,04 Millionen Haushalte, die bislang weder Wohngeld noch Grundsicherungsleistungen bezogen haben. Die Ausweitung des Kreises der Anspruchsberechtigten war zwingend erforderlich, denn nicht nur Menschen knapp über der Existenzsicherungsschwelle geraten in Zahlungsnot. Die finanzielle Be- bzw. Überlastung durch die explodierenden Energiekosten und die steigenden Mieten reicht weit bis in die Mitte der Gesellschaft hinein. Wohngeld kann kurzfristig soziale Härten abfedern, sollte aber keine Dauerlösung darstellen. Wir brauchen deshalb langfristige Lösungen. Niemand sollte trotz Vollzeitbeschäftigung auf staatliche Leistungen angewiesen sein. Niemand sollte neben seiner Erwerbstätigkeit und den familiären Verpflichtungen zahlreiche Anträge ausfüllen und die Kommunikation mit den Ämtern stemmen müssen. Denn Menschen müssen ihren Lebensunterhalt aus eigener Kraft erwirtschaften können.
Wir brauchen Energiepreise, die sich die Menschen leisten können.
Wir brauchen Löhne und Renten, die den Lebensunterhalt heute und auch im Alter sichern.
Berlin, Göttingen den 10.10.2022