Altersdiskriminierung durch KFZ-Versicherung:

Veröffentlicht am 1. April 2024
Adler Group in Göttingen Grone

OKAY sagt Justiz-Ministerium

 

Das kann man nicht oft genung teilen, deshalb mit Genehmigung der Büro von Altersdiskriminierung folgender Text:

26.03.2024 – von Prof. Wollank, Frau H., Hanne Schweitzer

Nach einer Bearbeitungszeit von knapp 10 Wochen teilt Frau H. aus dem Bundesministerium für Justiz im März 2024 mit: Das altersdiskriminierende Verhalten von Kfz-Versicherungen, welches Professor Wollank im Januar ausführlich und mit Belegen gerügt hatte, geht in Ordnung.

Sie schreibt:

Sehr geehrter Herr Wollank,
vielen Dank für Ihre Anfrage. Sie beanstanden darin das rechtswidrige Verhalten der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherer im Hinblick auf die Berechnung des Schadenbedarfs sowie die den nach Ihrer Auffassung unberechtigten Altersaufschlag.

Ihre Anfrage möchte ich wie folgt beantworten:
Grundsätzlich können der Versicherer und der Versicherungsnehmer die Höhe der Prämie
innerhalb der allgemeinen vertragsrechtlichen Grenzen (z.B. § 138 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches [BGB]) frei aushandeln, dies ergibt sich aus der Vertragsfreiheit. Ausnahmen in Gestalt von aufsichtsrechtlichen Vorgaben zur Prämienkalkulation bestehen bei besonderen Versicherungssparten, dazu zählt die Kraftfahrtversicherung jedoch gerade nicht.

§ 19 Absatz 1 Nummer 2 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) bestimmt, dass
eine Benachteiligung u.a. aus Gründen des Alters bei der Begründung, Durchführung und Beendigung zivilrechtlicher Schuldverhältnisse, die eine privatrechtliche Versicherung zum Gegenstand haben, grundsätzlich unzulässig ist.
Nach § 20 Absatz 2 Satz 2 AGG ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters im Falle des § 19 Absatz 1 Nummer 2 AGG allerdings zulässig, wenn diese auf anerkannten Prinzipien risikoadäquater Kalkulation beruht, insbesondere auf einer versicherungsmathematisch ermittelten Risikobewertung unter Heranziehung statistischer Erhebungen.

Sind diese Voraussetzungen erfüllt, bleibt dem Versicherer bei der Vertragsgestaltung die Berücksichtigung der von diesem Gesetz erfassten Risiken – hier des Lebensalters – möglich. § 20 Absatz 2 Satz 2 AGG verfolgt das Ziel, dass „die auch im Interesse der Versicherten erforderliche Differenzierung nach dem ex ante beurteilten individuellen Risiko“ möglich bleibt. Diese „Differenzierung […] gehört zu den Grundprinzipien der privatrechtlichen Versicherung“ (BT-Drs. 16/1780, S. 45).

Diese gilt gerade unter dem Gesichtspunkt, dass das Alter beispielsweise für eine Krankheitskosten- oder Lebensversicherung ein zentraler, wenn nicht der zentrale individuelle Risikofaktor ist (Münchener Kommentar zum BGB/Thüsing, 9. Auflage 2021, § 20 AGG Rn. 63 f.). Wäre eine Berücksichtigung des Alters hier nicht möglich, könnten entsprechende Versicherungen kaum oder überhaupt nicht am Markt angeboten werden.

Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) hat geprüft, ob Kfz- Versicherer in Deutschland ihre älteren Kundinnen und Kunden bei den Beiträgen diskriminieren. Im Rahmen einer Marktuntersuchung wurde festgestellt, dass Kraftfahrtversicherer, die altersabhängig tarifieren, dieselben Prinzipien befolgten wie bei allen weiteren üblichen Tarifmerkmalen der Kraftfahrtversicherung. Aus versicherungsmathematischer Sicht läge insofern keine Besonderheit vor. Entsprechend hat die BaFin festgestellt, dass die altersabhängige Tarifierung in der Kraftfahrtversicherung auf den anerkannten Prinzipien risikoadäquater Kalkulation beruhe und sich keine Anhaltspunkte für Verstöße gegen die Vorschrift des § 20 Absatz 2 Satz 2 AGG ergeben hätten (BaFin Journal, Januar 2021, S. 22 [25]).
Gesetzgeberischer Handlungsbedarf wird daher nicht gesehen.
Mit freundlichen Grüßen
Im Auftrag
H.“

Die Begründung der Mitarbeiterin des Referats IIIA6 folgt den immer gleichen Verlautbarungen, die seit Jahren von offiziellen Stellen abgegeben werden: die BaFin hat festgestellt, dass alles okay ist. Null Anhaltspunkte für Verstöße gegen § 20 Absatz 2 Satz 2 AGG.

In gewisser Weise hat sich der Verweis auf die Bafin aber mittlerweile erledigt. Im November 2023 verabschiedete der Bundestag mit Mehrheit eine Beschlussempfehlung an das Bundesjustizministerium. Das wird aufgefordert, einen Auskunftsanspruch für Versicherungskunden im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz festzuschreiben und die KFZ-Versicherungen zu verpflichten, ihre Prinzipien der risikoadäquaten Kalkulation offen zu legen. Die kaschierende Worthülse soll mit Inhalt gefüllt werden. Die Versicherten sollen wissen, wie man sie kalkuliert.

Im Justizministerium wird geschnarcht, gemauert oder auch beides. Frau H. vom Referat III jedenfalls schreibt: „Gesetzgeberischer Handlungsbedarf wird nicht gesehen.“ Das ist deutlich.
Es widerspricht aber der Forderung des Bundestags, der eine Regelung ausdrücklich gefordert hat. Justizminister Buschmann juckt das scheint`s nicht. Er will das aus-sitzen. Schon im Herbst 2023 hatte er ja Eckpunkte einer AGG-Reform angekündigt. Inzwischen ist Frühling, und nicht mal die zarte Spitze eines Eckpunkts wurde bisher gesehen. Buschmann nutzt aus, dass es keinen Zeitplan für die Verabschiedung eines neuen Antidiskriminierungsgesetzes gibt. Dieser Umstand wurde am 19. März 24 sogar von der Kommissarin des Europarats für Menschenrechte, Dunja Mijatovi in ihrem Bericht gerügt. Am Justizminister perlt das ab – Lotuseffekt.

Professor Wollank bleibt trotzdem am Ball. Er antwortet der Mitarbeiterin des Referats III:

 

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